Svalbard – uns geläufiger ist der Name Spitzbergen – liegt im nördlichen Atlantik „kurz“ vorm Nordpol. Von Oktober bis Februar ist es hier durchgängig dunkel.
Von Oslo sind es noch 3 Flugstunden, schon stehen wir auf dem Vorfeld des Flughafens Longyearbyen, dem Hauptort von Svalbard. 1800 Menschen leben hier. Weiter östlich gibt es noch eine Siedlung von ca. 500 Russen, sie heißt Barentsburg. Alles zusammen steht unter norwegischer Verwaltung, der Chef ist ein hier ansässiger Gouverneur.
Wir tauchen ein in eine mir bisher unbekannte Welt: Vereiste Straßen, Schneegestöber und eisiger Wind. Bis zum Nordpol sind es nur 1300 km. Genau so fühlt es sich an.
Wir wollen mit norwegischen Freunden ein verlängertes Wochenende hier verbringen. Die Vorbereitung für diese Reise dauert übrigens deutlich länger: Wir brauchen Spikes unter den schon sehr groben Sohlen unserer Stiefel, um einigermaßen gut voranzukommen. Dazu die dicksten verfügbaren Skiklamotten. Haben wir! Das wichtigste ist jedoch der Waffenschein, ohne den geht hier nix. Wer die Siedlung auf eigene Faust verlassen möchte, braucht ein Gewehr. Und das leiht man aus – nur gegen Waffenschein, versteht sich.
Die Nacht hat momentan gefühlt 24 Stunden. Lediglich von 10.30 bis 13.30 ist es nur dunkel, ansonsten absolute Finsternis.
Wer keinen Waffenschein hat, schließt sich einem der örtlichen Guides an – die sind entsprechend ausgestattet. Denn die Möglichkeit, schon am Rand der Siedlung auf Eisbären treffen, ist durchaus gegeben.
Wir wohnen im Mary Ann`s Polarrigg – es ist gemütlich und zum Glück immer gut geheizt. Draußen pfeift der Wind, die vorbei laufenden Rentiere lassen sich davon aber nicht beeindrucken.
Vegetarier haben es in den hiesigen Restaurants ganz leicht – es gibt immer genau ein Gericht. Aber das ist dann sehr lecker. Wer Fleisch isst, kommt natürlich auf seine Kosten. Wal, Rentier und Robbe sind im Angebot.
Longyearbyen ist einer der entlegensten Orte, an denen ich je war. Die Tagestouren führen uns noch weiter weg von jeglicher Zivilisation. Im „Licht“ des Tages zeichnen sich dann schneebedeckte Berge ringsherum ab. Und im Mondlicht zeigt sich die Landschaft wie von einer anderen Welt.
Zwei Ausflüge haben wir in diese beeindruckende Landschaft unternommen. Am ersten Tag sind wir mit Snowmobilen, am zweiten Tag mit Huskyschlitten unterwegs und erkunden die Umgebung.
So toll es ist mit einem Snowmobil durch die bizarre Landschaft zu fahren, so einmalig ist eine Tour mit den Huskys. Zauberhafte Hunde, die fröhlich, neugierig und sehr verschmust die Ankömmlinge begrüßen.
Kaum war aber klar, wer vor den Schlitten gespannt wird, waren die Hunde außer sich und nicht mehr zu bändigen. Das Einspannen (was jeder Teilnehmer selber erledigt) war zwischen Vorfreude der Hunde auf Auslauf und unserer Erwartung schnell gemacht.
Man muss aufpassen, nicht ins Schwitzen zu geraten – bei den Klamotten ist das schwierig. Ich bin sicher, mit den Anzügen, die noch über die Skiklamotten gezogen werden, hätten wir auf eine Marsmission gehen können. Jedes SWAT Team hätte blass neben uns ausgesehen. Schwierig wird es, wenn man zwischendrin eine Toilette braucht – das ist nahezu unmöglich.
Unser Aufstieg zu einer verlassenen Mine erinnert stark an einen Horrorfilm, in dem die Gruppe unfreiwillig kleiner wird und man plötzlich allein im Dunklen steht. Zum Glück ist das nicht passiert.
Die Tage vergehen schnell.
Beim Abschied von Mary Ann`s Polarrigg holt uns derselbe Taxifahrer ab, der uns hierher gefahren hat. Man trifft sich eben immer wieder hier.
Die Landebahn ist schneeverweht und es wundert mich, dass Starts und Landungen hier so problemlos möglich sind. Und auch noch pünktlich! Was vielleicht auch dem Flugaufkommen hier am Ende der Welt geschuldet ist.
Auf dem Rückweg vergehen noch 30 Minuten Flug, bevor der Horizont von schwarz auf grau und schließlich Orange wechselt. Es gibt sie also noch, die Sonne.
Das war vielleicht die ungewöhnlichste Erfahrung, die wir gemacht haben – aufgrund der Helligkeit überhaupt nicht sagen zu können wie spät es ist. Noch nie hatte 10 Uhr am Morgen so viel gemeinsam mit 21 Uhr am Abend.
Wer Lust auf Abenteuer hat, ist hier in Svalbard genau richtig. Also, auf nach Norden – Ihr werdet überrascht sein.
Euer Jörg Kästner
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